Wie kann der öffentliche Dienst seine Leistungsträger und Leistungsträgerinnen langfristig binden?
Der dbb* geht 2024 von einer Personallücke im öffentlichen Dienst von 570.000 Stellen aus. Das ist ein Rekordhoch. Bei den Kommunalverwaltungen sind ungefähr 105.800 Stellen unbesetzt.
Das sind sehr beunruhigende Zahlen. Die zentralen Erkenntnisse der Studie von Next:Public**, dem „Bleibebarometer Öffentlicher Dienst“ sind:
- 80% der Beschäftigten können sich vorstellen, den Arbeitgeber zu wechseln.
- Ein Drittel zieht sogar einen Wechsel in die Privatwirtschaft in Betracht.
- Gründe für einen Wechsel: bessere Bezahlung, höhere Flexibilität, modernere Ausstattung sowie Anerkennung und Wertschätzung.
Das Personal in der öffentlichen Verwaltung ist das zentrale Leitungssystem und gilt damit als höchstes Gut.
Umso wichtiger ist es, zu überlegen, wie man die aktuellen Mitarbeitenden langfristig an den größten Arbeitgeber Deutschlands, den öffentlichen Dienst, binden kann. Hier ein paar Denkanstöße:
1. Verbindliche Führung
Peter Pächnatz*** von BEP Consult fasst das sehr treffend zusammen:
„Verbindliche Führung erleben Menschen dann, wenn Führungskräfte ihren Worten Taten folgen lassen. Dazu legen sie realistische, überprüfbare und verbindliche Vereinbarungen fest. Sie helfen ihren Mitarbeitenden, die Vereinbarungen erfolgreich in die Realität umzusetzen. Die Problemlösung überlassen sie den Beschäftigten. So können für alle Erfolge sichtbar werden. Erfolge motivieren und stärken die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.“ Verbindliche Führung wird allerdings häufig nicht gelebt. „In der Verwaltung herrscht eine Fachkultur. Die Führungskräfte sind überwiegend mit Fachaufgaben beschäftigt, weil häufig durch Krankheit und offene Stellen personelle Kapazitäten fehlen. Führung von Menschen hat keine Priorität: Prioritäten werden entweder nicht gesetzt oder sind nicht durchzuhalten, weil die Politik permanent neue Aufgaben an die Verwaltung stellt.“ Das Ergebnis ist dann, dass Führungskräfte für solche Situationen nicht vorbereitet sind und sie letztendlich nicht verbindlich führen können, obwohl sie das gern möchten. Ohne verbindliche Führung werden sie von den Mitarbeitenden nicht ernst genommen und verlieren die Akzeptanz, was wiederum demotivierend wirkt. Das erfordert letztendlich eine Prozessoptimierung in der Zusammenarbeit von Verwaltung und Politik.
2. Mentoring
Viele Unternehmen im öffentlichen Dienst tun sich noch schwer, ihre internen und externen Abläufe an unsere heutige doch sehr schnelllebige Zeit anzupassen. Ein sehr guter Grund, ein Mentoring Programm auf- und umzusetzen. Bei einem Mentoring-Programm stehen erfahrene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter jungen Kollegen und Kolleginnen mit Rat und Tat zur Seite und so ist auch ein Know-How-Transfer gewährleistet. Die Mentees erhalten so den Zugang zum Netzwerk der Erfahreneren und unterstützt damit die Karriereentwicklung und die Bindung an den Arbeitgeber bzw. Arbeitgeberin. Andererseits können so auch die Nachwuchskräfte ihre Ideen und Vorschläge für eventuelle Neuerungen und Veränderungen bei ihren Mentorinnen und Mentoren platzieren. In einem Mentoring profitieren alle Projektbeteiligten voneinander.
3. Lebensphasenorientierte Personalarbeit
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Verwaltung möchten Perspektiven haben, wie sie sich in ihrer Organisation weiterentwickeln können. Lebensphasenorientierte Entwicklungs- und Karrieregespräche nach einer Elternzeit oder Pflegephase bzw. Laufbahngespräche zu einer Umorientierung oder einen Quereinstieg in einen anderen Fachbereich können hier sehr hilfreich sein.
4. Sehr hohe Arbeitsbelastung durch Personalmangel

Um die Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes sicher zu stellen, muss es neue Denkansätze und deren Umsetzung geben. Dazu gehören Bürokratieabbau und eine konsequente Digitalisierung der Prozesse. Aber das allein wird nicht reichen. Damit die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gesund und motiviert bleiben und neue Fachkräfte gewonnen werden können, müssen die Rahmenbedingungen verbessert werden. Dazu könnten u.a. eine bessere Bezahlung und flexible Arbeitszeiten gehören.
5. Talente frühzeitig identifizieren und langfristig binden
Talentmanagement beginnt bereits bei der Rekrutierung neuer Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. Hierbei sind Kooperationen mit Hochschulen und die Teilnahme an Recruitingmessen wichtige Instrumente. Aber auch das Bewerben von Praktikumsplätzen und Werksstudententätigkeiten spielen eine große Rolle. So kann der Nachwuchs gute Einblicke in das breite Spektrum möglicher Tätigkeitsfelder des öffentlichen Dienstes gewinnen.
Wird ein Talent frühzeitig erkannt, kann mir einer langfristig verabredeten und schriftlich vereinbarten Personalentwicklungsplanung dieses Talent langfristig gebunden werden. Eine Auftraggeberin von unserer Personalberatung hat so eine Personalentwicklungsplanung über einen Zeitraum von 10 Jahren vereinbart und damit erfolgreich Leistungsträger und Leistungsträgerinnen begeistern, fördern und binden können.
6. Shared Leadership
Shared Leadership bedeutet „geteilte Führung“. Es ist noch ein sehr junges Führungsmodell, welches die Führung und Verantwortung auf mehrere Köpfe aufteilt. Dies macht eine zeitgemäße Führung von Abteilungen und Projektteams möglich. Diese Modell kommt natürlich einerseits den jüngeren Generationen, die in den Arbeitsmarkt drängen, aber auch den vielen Teilzeitkräften, die nie eine Chance auf eine Führungsposition hatten, sehr entgegen.
Wenn zwei Führungskräfte sich eine Stelle teilen, wird das als Topsharing bezeichnet.
Dieses neue Führungsmodell birgt natürliche viele Chancen aber auch Risiken in sich. Bei der geteilten Führung bringen mehrere Personen ihre Perspektive in die Entscheidung mit ein. So können diese fundierter und erfolgreicher sein und somit erzielt das gesamte Team bessere Ergebnisse. Bei einer geteilten Führung innerhalb eines Projektteams wird die Verantwortung auf mehrere Schultern verteilt und die Mitarbeiterzufriedenheit steigt, weil die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in die Entscheidungsfindung mit einbezogen werden.
Riskant kann sein, dass wenn mehrere Personen am Entscheidungsprozess beteiligt sind, sich die Entscheidungswege verlängern bzw. Entscheidungen verzögert werden. Werden die Verantwortlichkeiten nicht exakt verteilt, kann das zu Irritationen und Missverständnissen führen.
Shared Leadership ist eine mögliche Option, Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen zu binden. Es muss aber vorher überprüft werden, ob die Umstellung der Prozesse auf dieses Führungsmodell im Aufwand-Nutzen Verhältnis steht.
Fazit:
Mitarbeiterbindung im öffentlichen Dienst ist kein „Nice-to-have“, sondern notwendige Voraussetzung für eine handlungsfähige Verwaltung. Es braucht klare Strategien, echte Beteiligung und den Mut, tradierte Strukturen zu hinterfragen. Wer binden will, muss individuell und flexibel sein, aber vor allem gestalten!
Quellen:
*https://www.dbb.de/artikel/personalmangel-im-oeffentlichen-dienst-auf-rekordhoch.html
**https://nextpublic.de/wp-content/uploads/2024/12/Studie_Bleibebarometer_Oeffentlicher_Dienst.pdf
****https://www.linkedin.com/pulse/personalkrise-im-%C3%B6ffentlichen-dienst-besch%C3%A4ftigte-cirve/